Als vor einem Jahr „Wetten, dass..?“ eingestellt wurde, trauerte man, dass „Lagerfeuer der Fernsehnation“ sei erloschen. Ich würde sagen, Markus Lanz und Cindy aus Marzahn hatten es dankenswerterweise ausgetreten. Ein Jahr nun lebt die „Fernsehnation“ schon ohne dieses Lagerfeuer – und ist nicht erfroren. Was hoffentlich jeden ZDF-Verantwortlichen vor einem neuen Entfachen dieser Feuerstelle abhalten wird. Denn es gibt andere Lagerfeuer. In der digitalen Welt.
Unter Hashtags wie #Tatort, #ESC, #GNTM, #Maischberger oder #Bundesliga scharen sich bei Twitter viele Fernsehzuschauer. Loben. Lästern. Fiebern mit. Dass die Menschen dabei nicht mehr zusammen auf einen Bildschirm schauen, tut dem Gemeinschaftsgefühl keinen Abbruch. Oft sind die 140 Zeichen kurzen Einwürfe sogar unterhaltsamer als die Kommentare im heimischen Wohnzimmer damals zu „Wetten, dass..?“. Auch, weil sie zahlreicher sind. Im Netz der Raute sammeln sich zeitgleich Zuschauer aus verschiedenen Städten und Gemeinden, tauschen sich aus, kommentieren und favorisieren über Wohnungsgrenzen hinaus.
Ist das nun besser oder schlechter? Es ist anders! Und, es ist nicht aufzuhalten. Für meine Tochter wird diese Form des Fernsehens so normal sein, wie für mich früher das Testbild nach Sendeschluss. Dass es in meiner Kindheit noch nicht rund um die Uhr Fernsehen gab und man die Programme an einer Hand abzählen konnte, kann Maria nur schwer glauben. So wie ich mir damals kaum vorstellen konnte, dass meine Mutter zu Nachbarn oder anderen Leuten gehen musste, um „Das singende, klingende Bäumchen“ zu schauen.
Dabei hat die TV-Geschichte einmal so angefangen: Am 22. März 1935 startete in Berlin das erste tägliche Fernsehprogramm der Welt. Um den „Fernsehsender Paul Nipkow“ auf einem winzigen Bildschirm sehen zu können, versammelten sich die Menschen in sogenannten Fernsehstuben. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann man in Ost- und in West-Deutschland ab 1952 mit der Ausstrahlung vonTV-Programmen. Der Fernseher hielt Einzug in die Wohnzimmer.
Wenig später warnte Theodor W. Adorno im „Prolog zum Fernsehen“: „Jene fatale Nähe des Fernsehens, Ursache auch der gemeinschaftsbildenden Wirkung der Apparate, um die Familienangehörige und Freunde, die sich sonst nichts zu sagen wüßten, stumpfsinnig sich versammeln, befriedigt nicht nur eine Begierde, vor der nichts Geistiges bestehen darf, wenn es sich nicht in Besitz verwandelt, sondern vernebelt obendrein die reale Entfremdung zwischen den Menschen und zwischen Menschen und Dingen.“
Wenn man zu lange das Nachmittagsprogramm einiger Privatsender sieht, ist man versucht, dem Philosophen nachträglich zuzustimmen. Anderseits gibt es auch andere Sender, die niveauvoll unterhalten und informieren. Gibt es Filme und Reportagen, die den Blick für die Welt öffnen. Damals wie heute gilt: Nicht der „Apparat“ entfremdet, er ist nur ein Werkzeug. Die Krux ist, wie wir es nutzen.
UmMolotowcocktails zu bauen oder Lagerfeuer zu entzünden.