Diese Jugend heutzutage – sie tut mir leid! Jede ausgelassene Party kann für sie zur Fotofalle werden. Die pubertären Grenzüberschreitungen werden nicht mehr automatisch zu exklusiven Erinnerungen, die sich ausschmücken oder vergessen lassen, sondern können zu ewigen virtuellen Wahrheiten erstarren. Und im schönsten Augenblick drängt sich Mutti dazwischen – als aufdringliches Handypiepsen. Digitale Möglichkeiten schränken ihre analoge Freiheit ein.
Doch zieht die Jugend los und sucht nach neuen Abenteuern. Youtube, WhatsApp, Minecraft, Barcamps oder Hackathons sind angesagte Clubs der frühen 2020er Jahre. Theoretisch können Eltern sogar mitfeiern – wenn sie den Zeigefinger unten und sich an die Hand nehmen lassen. Doch Vorsicht: Ein Abstecher in die virtuelle Clubwelt kann Vorurteile zertanzen. Statt mobbend, stalkend und sich an Punkteständen besaufend in der Ecke zu lungern, wird zu alten Idealen gerockt.
Bei der Internetkonferenz re:publica öffneten einige dieser digitalen Diskos ihre Türen:
„Bei uns kann jeder mitmachen, der die Welt verbessern will“, erklärte Medienpädagoge Daniel Seitz von „Jugend hackt“. Bei dieser mehrtägigen Veranstaltung treffen sich Jugendliche zum Programmier-Marathon, einem sogenannten Hackathon. Auch wenn Hacker für Elternohren im ersten Moment vielleicht nach dunklem digitalen Einbruch klingt, ist das ganze legal und mit einem ideellen Kommune-Sound unterlegt. 12- bis 18-Jährige können gemeinsam programmieren, designen, entwickeln, sich vernetzten, Spaß haben und versuchen, mit Daten an einer gerechteren Gesellschaft zu bauen.
Neben den „Nerds“ hotten auch die „Spielsüchtigen“ auf der Tanzfläche. Mit „Minecraft“, einem der meist verkauften Videospiele weltweit, entwerfen sie Pläne für Zukunftsstädte. "Dabei entwickeln die Jugendlichen spielerisch städteplanerische Fähigkeiten und setzten sich mit Architektur auseinander", beobachtet Soziologe Ulrich Tausend. Möglichkeiten dazu gibt es zum Beispiel an der Jungen Akademie in Wittenberg. Ende Mai können dort Eltern, Lehrer und Jugendliche mit virtuellen Bausteinen den neuen Takt für faire Architektur trommeln.
Auch die Vereinten Nationen mögen den Rhythmus der Minecraft-Klötzchen: Beim Projekt „Block by Block“ werden unter anderem in Haiti und Nepal arme Wohngebiete aus der realen in die virtuelle Welt umgesiedelt. Dort können Jugendlichen und Kinder ihre Heimat nach ihren Bedürfnissen neu gestalten. Bis 2016 sollen weltweit 300 dieser Entwürfe wieder in die reale Welt zurückgebaut werden. Entwicklungshilfe - neu aufgelegt.
Vielleicht wird dieser Hit auch beim ersten „Festival für digitale Jugendkultur“ gespielt. Die Teenagerinternetkonferenz TINCON soll im Mai 2016 in Berlin Jugendliche zusammenbringen. Unter der Schirmherrschaft der „Netzgemüse“-Autoren und re:publica-Mitgründern Tanja und Johnny Haeusler können sich Teenager als Redner profilieren, als Macher provozieren oder als Interessierte partizipieren. Und natürlich jede Menge Spaß haben. Vielleicht wird TINCON eine Art virtuelles Woodstock. Ich wünsche es ihnen.
Und mir, dass ich Maria, wenn sie alt genug ist, mit ihren Freunden durch die digitalen Clubs ziehen lasse – ohne dabei per App ihre Blutalkohol-Werte kontrollieren zu wollen.
P.S. Es gibt noch mehr „digitale Clubs“ zum Beispiel bei Wissenschaft im Dialog, wikimedia, den Railsgirls. Wer kennt noch andere?